nach Einar Schleef
Vom fünften bis elften Juni tot, am fünfzehnten Juni Auferstehung. So etwas gibt es nur sehr selten. Eigentlich ausschließlich in der sogenannten Heiligen Schrift. Und in den frühen Tagebüchern des Schriftstellers, Malers und Regisseurs Einar Schleef, die dieser in den zehn Jahren zwischen 1953-1963 verfasste. In ihnen berichtet der 1944 geborene Jugendliche in fast täglichen Eintragungen von den Einsamkeiten, Sehnsüchten und Nöten seines Heranwachsens in einer unspektakulären Kleinstadt namens Sangerhausen im Osten der geteilten Republik; von übermäßiger Beachtung durch seine Mutter Gertrud und dem gleichzeitig alles überstrahlenden Gefühl vollkommener Verlassenheit. Sangerhausen – das ist für Schleef ein aus Eltern, Lehrern, Kneipen, Haltestellen, Zeugnissen, Telefonzellen, Parkplätzen, Tanzstundensälen, unbeantworteten Briefen, der mütterlichen Liebesaffäre namens Rolf und dem als vernichtend empfundenen Mangel an wirklichen Freundschaften bestehendes Vakuum, dessen Auflösung er ebenso sehr fürchtet wie herbeisehnt. Inmitten der Notizen, Protokolle, Gedichte, Liebes- und Wutausbrüche der vom jungen Einar Schleef verfassten Tagebücher findet sich eine Reihe konkreter Daten, hinter denen jeweils das Wort »tot« geschrieben steht. Plötzlich dann, drei Tage später: »Auferstehung«. Jeder, der einmal 15, 16, 17 Jahre alt war, weiß, was solche Eintragungen bedeuten. Keine weiteren Erklärungen notwendig. Oder doch? Denn was genau bedeutet es, wenn sich junge Schauspielerinnen und Schauspieler, die fast alle nach 1989 geboren wurden, mit den Tagebucheintragungen eines in der ehemaligen DDR aufgewachsenen Künstlers auseinandersetzen? Wie deutlich oder verschwommen sind die Verwandtschaften, wie nah oder unüberwindbar die Distanzen beim Aussprechen von Wörtern wie »Zuhause«, »Wahrheit«, »tot« und »Auferstehung«?
Einar Wilhelm Schleef, 1944 in Sangerhausen geboren, studiert zunächst Malerei, dann Bühnenbild an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. 1971 wird er als Meisterschüler bei Karl von Appen an der Deutschen Akademie der Künste aufgenommen. Zusammen mit B.K.Tragelehn führt er Regie bei verschiedenen Inszenierungen am Berliner Ensemble. Als er 1976 einen Aufenthalt in Wien nutzt, um in die Bundesrepublik zu reisen, wird er für republikflüchtig erklärt. In der Folge lebt Schleef in Frankfurt am Main und Berlin (West).
Er schreibt mehrere Theaterstücke, Hörspiele und Romane (darunter »Gertrud«) und arbeitet als Regisseur, nach der Maueröffnung auch wieder am Berliner Ensemble. 2001 stirbt Einar Schleef in Berlin. Als Schriftsteller, Fotograf, Bühnenbildner und Filmemacher hat Schleef ein umfangreiches, immer wieder polarisierendes Gesamtwerk vorgelegt, das seine Biografie – das Leben im geteilten Deutschland – spiegelt.
Es spielen:
Lea Beie, Janosch Fries, Louis von Klipstein, Jens Lamprecht, Anna Lappe, Esra Laske, Tobias Loth, Ann-Christin Mündner, Dario Neumann, Laila Richter
Regie Christiane Pohle
Bühne/Kostüm Clara Nothdurft (ABK Stuttgart)
Dramaturgie Malte Ubenauf
Musik Marie Goyette
Regie-Assistenz Franziska Weber
Bühne/Kostüm-Assistenz Mira Phumdorkmai (ABK Stuttgart)
Mittwoch, 16. Dezember 2015, Premiere
Weitere Vorstellungen 17., 18. und 19. Dezember 2015
Beginn: 19.30 Uhr, Abendkasse ab 18.30 Uhr
Akademiehof 1, 71638 Ludwigsburg
Eintritt: 5 Euro
Anmeldung unter: karten@adk-bw.de
Das Bühnen- und Kostümbild von Clara Nothdurft wurde beim SETKÁNÍ /ENCOUNTER Festival 2016 in Brno/Tschechien mit einem Marta Award prämiert:
»In recognition for creating a dynamic set and costume design that supported the world of the play with a clear and imaginative theatrical canvas that acted as the foundation for a powerful ensemble production of 5.6. – 11.6. (tot) 15.6. (Auferstehung)«